News

01.09.2019 Anfechtung eines Erbvertrags

Die Einsetzung eines Erben kann vom Erblasser durch ein Testament (eigenhändig oder notariell, Einzeltestament oder Gemeinschaftliches Testament), aber auch durch einen Erbvertrag vorgenommen werden. Der Erbvertrag ist ein ganz „normaler" Vertrag, so dass für ihn die Bestimmungen des Allgemeinen Teils sowie des Schuldrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gelten. Die Besonderheit ist seinem Namen entsprechend, dass in ihm zumindest einer der beiden Vertragspartner eine andere Person als Erben einsetzen kann. Außer einer Erbeinsetzung ist auch die Anordnung von Vermächtnissen und Auflagen möglich. Das Gesetz spricht von „vertragsmäßigen Verfügungen von Todes wegen“.

Wichtig ist hierbei, dass der Abschluss eines Erbvertrags nicht von beiden Vertragsparteien die Einsetzung eines Erben (oder die Anordnung von Vermächtnissen oder Auflagen) verlangt. Vielmehr genügt es für die Qualifizierung eines Geschäfts als Erbvertrag, wenn zumindest eine Vertragspartei dies tut.
Bei Erbverträgen wird zwischen einseitigen, zweiseitigen, mehrseitigen sowie gegenseitigen Verträgen unterschieden. Bemerkenswert ist außerdem die im Unterschied zu einem Testament bestehende Bindungswirkung, da es sich beim Erbvertrag eben um einen Vertrag handelt (pacta sunt servanda). Sofern also ein Vertragspartner im Erbvertrag etwa eine Erbeinsetzung vornimmt, ist er grundsätzlich an diese Einsetzung gebunden und kann sie nicht einfach eliminieren, wie dies beim Testament möglich ist, welches entweder einfach vernichtet oder durch ein neueres Testament außer Kraft gesetzt werden kann.

In einem bis vor das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz gelangten Fall ging es um die Anfechtung eines Erbvertrags durch eine Erblasserin. Die Möglichkeit einer Beseitigung durch Anfechtung des Erblassers ist im Unterschied zur Situation beim leicht „kassierbaren“ Testament beim Erbvertrag aufgrund der angesprochenen Bindungswirkung des Vertrags auch notwendig. Bei einem Testament haben lediglich Hinterbliebene, wie etwa Pflichtteilsberechtigte, ein Anfechtungsrecht, denn der Erblasser kann sein Testament ohnehin jederzeit ändern.

In dem vom OLG Koblenz behandelten Rechtsstreit sollte die Anfechtung eines Erbvertrags wegen Motivirrtums erfolgen. Dafür berief sich die Erblasserin darauf, dass sie sich in einem Irrtum über das Fortbestehen „harmonischen Zusammenlebens“ mit dem als Erben eingesetzten Lebenspartner befunden hat. Hintergrund war ein häuslicher Treppensturz sowie ein damit zusammenhängendes Strafverfahren gegen den Lebenspartner wegen gefährlicher Körperverletzung. Das OLG stellte zunächst fest, dass die falsche Erwartung eines harmonischen Zusammenlebens ein beachtlicher Motivirrtum sein kann, welcher zur Anfechtung des Erbvertrags berechtigt.

Allerdings sieht das Gesetz auch eine Anfechtungsfrist dergestalt vor, dass die Anfechtung durch den Erblasser nur binnen Jahresfrist erfolgen kann. Dabei beginnt die einjährige Anfechtungsfrist in Fällen des Motivirrtums mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erblasser von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Dabei muss er alle Tatsachen kennen, die erforderlich sind, um die Sachlage beurteilen zu können. Diese einjährige Frist zur Abgabe einer Anfechtungserklärung, welche sogar der notariellen Beurkundung bedarf, war im vorliegenden Fall jedoch abgelaufen. Die Erblasserin wandte zwar ein, von einem Rechtsanwalt die - unrichtige - Auskunft erhalten zu haben, dass der Erbvertrag wegen Mängeln seiner Errichtung ohnehin unwirksam sei, weshalb sich eine Anfechtung erübrige, doch wurde dies angesichts der  Umstände des Falls durch das OLG Koblenz als unerheblich angesehen, weshalb von einem Ablauf der Anfechtungsfrist auszugehen war.

Wichtig ist noch, dass es sich bei der Erblasserin und dem erbvertraglich Begünstigten um ein Paar handelte, das nicht verheiratet war. Deshalb knüpfte das Gericht an die Rechtsprechung zur verspäteten Anfechtungserklärung bei fehlerhafter Erwartung harmonischen Zusammenlebens in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft an. Bei Vorliegen dieser Konstellation empfiehlt es sich bei der rechtlichen Gestaltung eines Erbvertrags, Partnern von nichtehelichen Lebensgemeinschaften ein unbedingtes und vorbehaltloses Rücktrittsrecht einzuräumen, damit jedem die Lösung vom Vertrag bzw. einzelnen vertragsmäßigen Verfügungen jederzeit möglich ist. Denn das Gesetz sieht für den Fall der Trennung der nichtehelichen Lebenspartner, welche auch hier erfolgt war, keine automatische Unwirksamkeit des Erbvertrags vor. Dies ist ein bedeutender Unterschied zur Situation unter Ehegatten, da bei Auflösung der Ehe (oder einer Verlobung) letztwillige Verfügungen, durch die ein Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam sind resp. automatisch werden.