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22.04.2022 Kennzeichnung von Saatgut

Kennzeichnung von PFLANZLICHEM Material

Es gibt bei der Inverkehrbringung und dem Vertrieb von pflanzlichem Material (Saatgut aus generativer Vermehrung sowie Vermehrungsmaterial aus vegetativer Vermehrung) ebenso Kennzeichnungspflichten wie bei Lebensmitteln, nur dass diese um einiges weniger bekannt sein dürften wie solche des Lebensmittelrechts.

Dabei liegen Kennzeichnungspflichten gerade bei pflanzlichem Material eigentlich nah, da Pflanzen auch bei Lebensmitteln eine der wichtigsten Gruppen von Ausgangsstoffen stellen. So betrifft das Kennzeichnungsrecht in Bezug auf pflanzliches Material schwerpunktmäßig solche Pflanzenarten, welche Bestandteile von Lebensmitteln werden, doch können auch Zierpflanzen von Kennzeichnungspflichten erfasst werden.

Dem Recht der Kennzeichnung von Pflanzenmaterial kann hier nicht im Einzelnen nachgegangen werden. Vielmehr sollen lediglich kurz die wichtigsten Gesetze und deren Anwendungsbereiche vorgestellt werden.

Dabei wird immer wieder deutlich, dass zwischen der Bedeutung für Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion einerseits und Zierpflanzen andererseits unterschieden werden muss und dass bei einzelnen Aspekten auch zwischen Saatgut und Vermehrungsmaterial differenziert wird.

„Schwung" hat der Rechtsbereich zuletzt durch eine Verordnung der Europäischen Union (EU) vom 26.10.2016 bekommen. Diese Verordnung behandelt Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen und gehört damit dem Bereich der Pflanzengesundheit an. Hintergrund ist die Regelung der Einfuhr von pflanzlichem Material in das Gebiet der EU, was durch den Brexit und die hohe Bedeutung Großbritanniens für gewisses Pflanzenmaterial („Cottage Garden") besondere Relevanz erlangt hat. Zunächst werden zwecks leichterer Verständlichkeit aber zwei wichtige deutsche Regelwerke aufgegriffen und die EU-Verordnung im Anschluss hieran behandelt.


Dem Zweck des Inverkehrbringens entsprechend ist das Saatgutverkehrsgesetz (SaatG) die erste Anlaufstelle. Es enthält mit § 21 aber lediglich eine Bestimmung zur „Verpackung und Kennzeichnung von Saatgut". Für den Anwendungsbereich des SaatG ist folgendes wichtig:

  • Das Gesetz gilt nur für Saatgut und Vermehrungsmaterial von Arten, welche im Artenverzeichnis zum SaatG aufgeführt worden sind. Ein Blick in dieses Verzeichnis lohnt daher immer, zumal es sich auch mal ändern kann.

Unter Art ist hier eine Art im Sinne der Botanik gemeint, was nicht identisch mit einer Sorte ist, für welche Sortenschutz als Element des gewerblichen Rechtsschutzes bestehen kann.

Das Saatgutverkehrsrecht als öffentliches Recht baut also auf dem botanischen Begriff der Art auf - welche Arten erfasst sind, regelt das Artenverzeichnis zum SaatG.

  • In Bezug auf Zierpflanzen kann das SaatG nur für Vermehrungsmaterial zur Anwendung kommen. Das Saatgut (bzw. Samen) von Zierpflanzen ist ausdrücklich ausgenommen.
  • Die Bestimmung des § 21 zu Verpackung und Kennzeichnung wiederum gilt nur für Saatgut.

Außerdem ermöglicht § 22 SaatG den Erlass von Ausführungsvorschriften für die Verpackung und Kennzeichnung von Saatgut.


Im Hinblick hierauf ist als zweites Regelwerk auf die „Verordnung über den Verkehr mit Saatgut landwirtschaftlicher Arten und von Gemüsearten" (Saatgutverordnung) zu verweisen.

Bei dieser handelt es sich zwar nicht um ein Gesetz, sondern „nur" um eine Verordnung, doch die dort enthaltenen Bestimmungen wirken für den mit der Kennzeichnung pflanzlichen Materials Befassten wie ein Gesetz, sind also entsprechend verbindlich. Zum Anwendungsbereich der Saatgutverordnung ist folgendes zu beachten:

  • Die Saatgutverordnung gilt nur für Saatgut, und auch dies nur für Saatgut landwirtschaftlicher Arten außer Kartoffel und Rebe sowie für Saatgut von Gemüsearten. Generell ausgenommen ist Vermehrungsmaterial.
  • Abschnitt 6 der Saatgutverordnung über „Kennzeichnung, Verschließung, Schließung und Verpackung" enthält ab § 29 („Etikett“) überaus umfangreiche Bestimmungen zur Kennzeichnung relevanten Saatguts.

Dass dies dem Gesetzgeber bei Saatgut im Unterschied zu Vermehrungsmaterial, wo „fertige" Pflanzen also quasi „Individuen" veräußert werden, derart wichtig ist, liegt daran, dass Saatgut zum einen unmittelbar und vor allem flächendeckend in der Landwirtschaft eingesetzt wird und zum anderen aufgrund der großen Zahl und Anonymität der Ware auch eine hohe Relevanz für die Produkthaftung aufweist (Keimfähigkeit!).

  • § 30a der Saatgutverordnung regelt den so genannten Pflanzenpass und verweist dabei auf die eingangs genannte EU-Verordnung über Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzenschädlingen.

Die Verordnung soll der Einfuhr pflanzlichen Materials entgegenwirken, welches mit bestimmten Schädlingen befallen bzw. „kontaminiert" ist.

Dabei handelt es sich um „Unionsgeregelte Nicht-Quarantäneschädlinge“ (Union regulated non-quarantine pests = RNQPs).

Ein wichtiges Instrument ist das Pflanzengesundheitszeugnis.

Die Verordnung empfiehlt hierfür, den Vorgaben der International Plant Protection Convention (IPPC) zu entsprechen.

Außer Pflanzen erfasst die Verordnung auch Pflanzenerzeugnisse wie etwa Holz.

Besonders ausführlich werden die „Unionsquarantäneschädlinge" geregelt.

Es ist nicht möglich, den mit der Verordnung geschaffenen Status der Pflanzengesundheit kennzeichnungsförmig zu erfassen, d.h. auf einer Verpackung mit pflanzlichem Material (Saatgut) vollständig zu dokumentieren.

Allerdings ist dies auch nicht erforderlich, doch muss zumindest ein Rückverfolgbarkeitscode bei der Einfuhr in das Gebiet der EU aus einem Drittstaat, also einem nicht (mehr) der EU angehörenden Staat, angebracht sein.


Ferner sei abschließend darauf hingewiesen, dass neben den Bestimmungen der EU-Verordnung zur Gewährleistung der Pflanzengesundheit auch schon früher vorhandene Bestimmungen des Zollrechts sowie das Produkthaftungsgesetz nach wie vor relevant sind.

Auch diese Rechtsgebiete haben jedoch nicht unmittelbar mit der Kennzeichnung pflanzlichen Materials zu tun.